Kostbare Kunst in Miniaturform – Römisches Mikromosaik

Erstellt von Anna Katharina Kreyenborg |

Die Faszination des Mosaiks bleibt ungebrochen: Es ist eine Kunst, die nicht verblasst, sondern über die Zeiten hinweg bestehen bleibt. Es ist eine Verbindung zwischen Handwerk und Erhabenheit, zwischen Wissenschaft und Kreativität – eine Kunst, die Steine zum Leben erweckt.

Diese exquisite Tabatiere aus 18-karätigem Gelbgold vereint meisterhafte Handwerkskunst und kunsthistorische Bedeutung. Die filigranen Mikromosaike, Antonio Aguatti (spätes 18. Jh. – 1846) zugeschrieben, zeigen auf dem Deckel eine lebendige Darstellung des Saltarello-Tanzes – inspiriert von einer Radierung des berühmten Bartolomeo Pinelli. Ein weiteres fein gearbeitetes Mosaik schmückt die Unterseite. Diese Tabatiere ist ein herausragendes Beispiel für die römische Mikromosaik-Kunst des 18. und 19. Jahrhunderts, die in der berühmten Mosaikwerkstatt Roms zur Perfektion gebracht wurde.

 

Die ewige Kunst der Mosaike: Ein Spiel aus Stein und Zeit
Mosaike sind die stillen Zeugen vergangener Epochen, Kunstwerke aus unzähligen Steinchen, die Geschichten erzählen, über Jahrhunderte hinweg. Ihre Ursprünge reichen bis in die Antike zurück, als sie Böden und Wände griechischer und römischer Villen schmückten. Besonders in Rom erlangte die Mosaikkunst eine unvergleichliche Bedeutung – eine Entwicklung, die eng mit der Geschichte des Christentums und der Päpste verknüpft ist.


Die Geburt der Mosaikkunst und ihr Weg nach Rom
Die Mosaikkunst begann als handwerkliche Tradition der klassischen Antike. Schon im alten Mesopotamien wurden Wände mit kleinen, farbigen Tonstücken verziert. Die Griechen perfektionierten die Technik, indem sie Mosaike nicht nur als dekoratives Element, sondern als erzählerisches Medium nutzten. Es waren jedoch die Römer, die die Kunstform in einem noch nie dagewesenen Umfang in ihren Palästen, Tempeln und Thermen verbreiteten. Besonders die Verwendung von Mosaiken als Bodenbelag wurde zu einem Markenzeichen römischer Architektur.Mit der Christianisierung des Römischen Reiches änderte sich der Fokus der Mosaikkunst: Nun dienten sie nicht mehr nur der Zierde, sondern auch der spirituellen Erbauung. Frühchristliche Basiliken wurden mit prachtvollen Szenen aus Mosaik geschmückt, die biblische Geschichten illustrierten. Die Byzantiner trieben diese Entwicklung weiter voran – Kirchen wie die Hagia Sophia in Konstantinopel oder San Vitale in Ravenna sind bis heute eindrucksvolle Zeugnisse dieser Kunstform.


Rom, das Zentrum der Mosaikkunst
Obwohl die Renaissance die Malerei in den Vordergrund rückte, überlebte die Mosaikkunst in Rom – dank eines kühnen Experiments im 16. Jahrhundert. Als im Zuge des Neubaus von St. Peter die Frage nach der künstlerischen Ausgestaltung des gigantischen Gotteshauses aufkam, entschieden sich die Päpste für Mosaike statt für Fresken. Die hohe Luftfeuchtigkeit im Petersdom hätte Gemälde mit der Zeit zerstört, während Mosaike nahezu unvergänglich sind.
Papst Gregor XIII. beauftragte eigens einen Mosaikmeister aus Venedig, wo die Tradition noch lebendig war. Dieser scharte ein Team von 80 Künstlern um sich und dekorierte zunächst eine Nebenkuppel. Der Erfolg war so überwältigend, dass die Mosaikverzierung bald auf die gesamte Basilika ausgeweitet wurde. Seitdem existiert die päpstliche Mosaikwerkstatt, die bis heute die Schätze des Petersdoms pflegt und erneuert.

Was macht Mosaike so einzigartig?
Es ist ihre Widerstandsfähigkeit, ihre Zeitlosigkeit und ihre unergründliche Tiefe. Während Malereien und Fresken der Vergänglichkeit unterliegen, trotzen Mosaike Jahrhunderten. Sie überstehen Feuer, Feuchtigkeit und Kriege, wie das Beispiel der frühchristlichen Basilika St. Paul vor den Mauern in Rom zeigt: Nach einem verheerenden Brand im 19. Jahrhundert blieb ein 1.500 Jahre altes Mosaik eines Apostels erhalten, während fast alles andere zerstört wurde.
Die Kunst des Mosaiks ist zugleich eine Wissenschaft der Präzision. Ein Gesichtsausdruck kann aus nur wenigen Steinchen bestehen, und doch sind Emotionen, Tiefe und Lichtspiele deutlich erkennbar. Besonders in der vatikanischen Mosaikwerkstatt wird dieses Handwerk auf höchstem Niveau gepflegt. Dort entstehen nicht nur Restaurierungen, sondern auch filigrane Arbeiten, die der Papst als diplomatische Geschenke an Staatsoberhäupter vergibt. Eines der berühmtesten Beispiele ist das Mosaik des Christus aus der Palliennische des Petersdoms, das Johannes Paul II. einst Fidel Castro überreichte.


Die geheime Farbpalette Roms
Ein weiteres Geheimnis der vatikanischen Mosaikwerkstatt ist ihr Farbenarchiv. 27.000 verschiedene Farbtöne sind dort gelagert, fein säuberlich in Schubladen verstaut. Diese Farben entstanden über Jahrhunderte hinweg durch eine besondere Technik: Bei 800 Grad verschmelzen Mosaizisten verschiedene Glasfarben, sodass in einem einzigen Steinchen mehrere Farbschattierungen erhalten bleiben. So entstehen Effekte, die mit herkömmlichen Mosaiktechniken unmöglich wären.
Heute sind Mosaike mehr als nur ein Relikt vergangener Zeiten. Sie inspirieren zeitgenössische Künstler, die diese alte Technik mit neuen Ideen kombinieren. In Rom, Ravenna und Venedig lebt die Tradition fort, während sie in Ländern mit orthodoxem Erbe wie Russland oder Griechenland weiterhin eine zentrale Rolle spielt.
 

 

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Los 401, Kleine Tabatiere mit 2 römischen Mikromosaiken, 18. / 19. Jh., 18kt Gelbgold, Mosaike an Antonio Aguatti (spätes 18. Jh. - 1846) zugeschrieben, Darstellung des Saltarello-Tanzes nach einer Radierung von Bartolomeo Pinelli, 65 x 45 x 15 mm
Detailansicht des Mosaiks, Los 401
Blick in eine Mosaikwerkstatt im 18. Jh. (aus Roberto Grieco, Micromosaici romani, Rom 2010, S.23)
Blick in eine römische Glaswerkstatt im 18. Jh. (aus Roberto Grieco, Micromosaici romani, Rom 2010, S.37)
Bartolomeo Pinelli, Il Saltarello Romano (1815), Radierung, 22 x 30 cm (Foto: Bertolami Fine Arts srl)